Geschichte

Geschichte, Lage, Gemeindebezirk

Wer durch Schmargendorf fährt, den Hohenzollerndamm entlang, der wird, auch wenn er es noch so eilig hat, an der Ecke Forckenbeckstraße einen Turm wahrnehmen, einen ungewöhnlich geschnittenen, festen, starken Turm aus rötlich-blauen Steinen. Er ist eines der Merkmale und Wahrzeichen Schmargendorfs – der Kirchturm der Kreuzkirche.

Rund 700 Jahre lang genügte den Christen in Schmargendorf die kleine Dorfkirche St. Marien, die noch heute als kleinste der Westberliner Dorfkirchen an der "Breite Straße" steht. Dieser schlichte Feldsteinbau war über Jahrhunderte hin der Mittelpunkt des Ortes, der unter dem Namen "Marggrefendorpe" im Jahre 1454 zum ersten Male urkundlich erwähnt wird. Seit 1532 gibt es in Schmargendorf eine evangelische Gemeinde. Im 30-jährigen Krieg wird der Ort ganz verwüstet und die Kirche zu den profansten Dingen – z.B. als Stall – genutzt. Ab 1708 ist der Wilmersdorfer Pfarrer auch für Schmargendorf (und Dahlem) zuständig. Er muß über den Feldweg nach Süden wandern, um seine Filialdörfer zu erreichen.

Erst 1908 – nach 200 Jahren – erhält Schmargendorf wieder einen eigenen Pfarrer. Da hatte sich der Ort schon sehr gewandelt. Die neue Reichshauptstadt (1871) wuchs in der Gründerzeit in die sie umgebenden Dörfer hinein und machte sie zu Großstadtvororten. 1891 gehörten zur Ev. Gemeinde Schmargendorf rund 1.700 Menschen, 1913: 9.000, 1916: 11.000, 1927: 18.000. Die Kirchengemeinde wurde Anfang des 20. Jahrhunderts herausgefordert, sich auf die so rasch verändernde Lage – vor allem auf den schnellen Bevölkerungszuwachs – einzustellen. Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war aber sogar die alte Dorfkirche verwahrlost, ja, Kirchendach und -decke drohten herunterzubrechen.

Angesichts dieses Zustandes taucht im April 1891 zum ersten Mal offiziell der Plan auf, schleunigst eine neue Kirche (mit 500 Sitzplätzen) zu bauen. Aber die politische Gemeinde, von der die Kirchengemeinde noch abhängig ist, lehnt sowohl den Neubau als auch die Restaurierung der alten Kirche ab. In den folgenden Jahren wird die Dorfkirche dann aber doch wiederhergestellt. Die Bewohner der Neubaugebiete finden allerdings nicht den Weg zu ihr, sondern wandern zu den benachbarten Gemeinden ab oder ihr Bezug zur Kirche reißt ganz. "Alle kirchlichen Traditionen waren im Erlöschen", schreibt Pfarrer Nehmitz, der erste Pfarrer der Kreuzkirche.

1911 steht endlich das jetzige Grundstück zur Verfügung. Es liegt nicht an einem der Plätze Schmargendorfs, am Rathaus z.B. oder am Elsterplatz oder Flinsberger Platz, wo die Kirchengemeinde gern gebaut hätte, sondern "am Wege", früher an der Kreuzung zweier wichtiger Straßen, nämlich des Hohenzollerdamms, der von Dahlem nach Wilmersdorf führte, und der Auguste-Victoria-Straße, die Schmargendorf und Halensee verband, heute nur noch an der "Schnellstraße" Hohenzollerndamm. Das erschwert heute unsere Versuche, als Teilnehmer am Leben Schmargendorfs wahrgenommen und als Faktor in diesem Leben erkannt zu werden.

Im Herbst des Jahres 1911 wird ein Wettbewerb ausgeschrieben. Der Baubeginn wird dann schließlich für 1916 ins Auge gefaßt, nachdem die Architekten Paulus und Lilloe den Auftrag erhalten hatten. Der Bauzaun soll gerade errichtet werden, da verbietet das Kriegsministerium alle zur Fortführung des Krieges unwichtigen Bauten. Elf Jahre später, am 4. Dezember 1927, wird dann endlich der Grundstein gelegt für einen völlig neu entworfenen Kirchenbau. Er stammt weitgehend von Dr. Günther Paulus – weniger von seinem Vater Ernst Paulus.

Es war damals ein mutiger Beschluß, in einer Zeit großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Krisen und Umbrüche einen solchen Kirchenbau auszuführen. Aber die nötige christliche Distanz zum eigenen Tun und das gläubige Vertrauen auf Gottes ganz anders geartete "Grundeinstellung" in Jesus Christus hat vielleicht der damaligen Kirchenbaugeneration die richtige Gelassenheit und den guten Mut gegeben. Auf dem Grundstein der Kreuzkirche, vermauert tief unten im Turmgewölbe, stehen die Worte des Apostel Paulus "Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus". Sie lassen – damals wie heute – alle unsere Anstrengungen, Erfolge und Mißerfolge, im rechten Licht erscheinen.

Am 3. Adventssonntag 1929 (15. Dezember) konnte schließlich die Kreuzkirche dem Dienst Gottes und seiner Gemeinde geweiht werden. Damit erhielt Schmargendorf endlich, neben der alten, zu klein gewordenen Dorfkirche, seine lang ersehnte und benötigte zweite evangelische Kirche. Innerhalb von zwei Jahren war ein Gemeindezentrum entstanden, das Aufmerksamkeit erregte, Zustimmung und Widerspruch. "Unabhängig und kühn haben die Architekten den Ausdruck der Zeit gesucht – und gefunden ... Die Zeitkirche behält ihre Ewigkeitssprache", so schreibt die "Deutsche Allgemeine Zeitung" am 13. Dezember 1929. Demgegenüber, am 17. Dezember 1929 in der Zeitung "Der Deutsche": "Die Kirche stellt den Gipfel der Modernität dar. ... Obwohl manche praktische Neuerungen ... zu begrüßen sind, wird doch ein großer Teil der evangelischen Bevölkerung an dem ganzen Baustil nicht unberechtigt Befremden nehmen".

Fast 60 Jahre später kann man noch gut nachempfinden, wie gewagt und ungewöhnlich den Menschen dieses Gemeindezentrum damals erschienen sein muß; auch heute noch provoziert es Kritik wie Zustimmung.

Das heutige Gebiet der Gemeinde erstreckt sich von der Stadtautobahn bis zum Roseneck und von der Hubertusallee bis zur Mecklenburgischen Straße. Es liegt zwischen Dahlem, Grunewald und Wilmersdorf und ist in zwei Pfarrbezirke aufgeteilt .

Die Gemeinde umfaßt Gegenden mit Villen, Einfamilienhäusern, großzügigen Siedlungskomplexen aus den zwanziger Jahren und Mietshäusern der Nachkriegszeit. Dementsprechend gehören die Glieder unserer Gemeinde auch zu unterschiedlichen sozialen Schichten. Sich darauf einzustellen, ist auch eine unserer Aufgaben.