Schwester Inge †

Am 30. Juli 2019 ist Ingeborg Caspary im Alter von 89 Jahren verstorben. Noch viele Menschen in der Kreuzkirche erinnern sich an Schwester Inge, die viele Jahrzehnte bei uns gewirkt hat. Die Beisetzung fand am 19. August in Spandau statt. Pfarrer Dr. Krügerke hat einen persönlichen Rückblick geschrieben (s.u.).

Krügerke, 04.08.2019

Persönlicher Rückblick und Dank

Seit Mai 1981, seit mehr als 38 Jahren also, kenne ich Schwester Inge(borg) Caspary.

Gemeindeschwester war sie und ehrenamtliche Mitarbeiterin über viele Jahre und schließlich eine liebevolle und liebenswerte alte Freundin.

Als Gemeindeschwester war sie eine Institution, mit Haube und in Tracht auf dem Fahrrad durch die Straßen Schmargendorfs fahrend. Ich habe sie vor Augen, kräftig in die Pedale tretend und freundlich grüßend. ”Jeder” kannte sie. Sichtbares Zeichen für das helfende und heilende, diakonische Wirken der christlichen Gemeinde, konkret: der Kreuzkirche. Sehr vielen Menschen hat sie beigestanden und sie über Jahre begleitet; manche bis zu ihrem Tode in den eigenen vier Wänden. Manches Mal bat sie mich, als Pfarrer zu Sterbenden mitzugehen, zu Gebet und Segnung. Die Menschen, die sie pflegte, konnten sich auf sie verlassen, auf ihren umsichtigen, versierten, freundlichen und klugen Einsatz.

Sie liebte ihren Beruf, leistete ihre Arbeit mit Fachwissen und aus ihrem christlichen Glauben heraus. Ein lebendes, sichtbares Beispiel für christliche Nächstenliebe und diakonisches Handeln. In ihrer Wirkung für die Kreuzkirche nicht zu überschätzen.

Als sie aus dem Straßenbild unseres Stadtteils, also Schmargendorfs, “verschwand” und ihre Arbeit im Rahmen der Diakoniestation Wilmersdorf-Süd dann noch einige Jahre weiterführte, das war ein Schritt in einer Entwicklung, die in meinen Augen nicht nur positiv zu bewerten war. Es fehlte von da ab das unverwechselbare, sichtbare, konkrete Gesicht dieser christlich-kirchlichen Aufgabe. Das war jedenfalls besonders hinsichtlich der stetigen, über mehrere Jahrzehnte konstanten Arbeit Schwester Inges in der Kreuzkirche so.

Neben ihrer eigentlichen Schwesternarbeit engagierte sich Schwester Inge über viele Jahre auf vielen Gebieten der Gemeinde. Besonders wichtig war mir als Pfarrer ihre Mitarbeit im gottesdienstlichen Leben. Sie fühlte sich verantwortlich und engagierte sich liebevoll, treu und äußerst zuverlässig für den Rahmen, den Raum und den geordneten Ablauf des Gottesdienstes: Öffnen und Schließen der Kirche, Bestücken der Liedtafeln von hoher Leiter aus, Vorbereiten des Altars, seiner Decken, der Kerzen, der Abendmahlsgeräte, des Blumenschmucks (mit viel Liebe und großem Geschmack). Vor dem inneren Auge so viele Bilder der Erinnerung, wie sie z. B. vor dem Gottesdienst jede einzelne der großen Altarkerzen herunternimmt und anzündet. Zu Advent und Weihnachten der liebevolle und gewissenhafte Aufbau der großen gründerzeitlichen Krippe mit ihren vielen Figuren, die im Laufe des Advents nach und nach “eintrafen” und “auftraten”. Ich sehe, wie sie die fachmännisch verpackten Figuren aus ihren “Schutzmänteln” herausholt und mit Bedacht an ihren Platz stellt. Zu Gründonnerstag, die schöne, geschmackvolle Gestaltung des Tischabendmahls. Nach der dafür nötigen Zeit fragte sie nie.

Sie arbeitete unermüdlich mit in der Seniorenarbeit, bei den Nachmittagen für Senioren, bei ihren Ausflügen, bei der Vorbereitung und Durchführung der Gemeindefeste, beim Blauen Salon für Musik und Literatur; sie nahm gern teil an den theologischen Gesprächskreisen und vor allem auch an den großen Gemeindereisen, z. B. nach Burgund (Taizé), Andalusien und Südengland. Oft haben wir uns gemeinsam daran erinnert.

Über viele Jahre war sie Mitglied im Gemeindekirchenrat, und zwar gewählt meistens mit der höchsten Stimmenzahl. Sie war eben bekannt und geschätzt. Ihr Wissen, nicht zuletzt in Sachen Bau, und ihre nüchterne, ehrliche, unerschrockene Art halfen in der Beratung, bei der manches Mal die Wogen hochgingen wegen der vielen großen und kleinen Egos, die sich bisweilen dort versammelt hatten.

Die Kreuzkirche ist ein architektonisch gewichtiges Gebäude. Ein hervorragendes Beispiel des Expressionismus. An Schwester Inge ist ein Handwerker verloren gegangen. Sie kannte dieses große Bauwerk wie kaum ein anderer. Sie war uns eine überaus gewichtige Hilfe bei zahlreichen Baufragen und ganz konkret im Bauausschuß, über viele Jahre hin. Dort brachte sie ihr Wissen und ihre Meinung ein, offen und direkt und ohne falsche Ehrfurcht vor den versammelten Fachleuten.

Sie wohnte Jahrzehnte in der Kreuzkirche, zuletzt im Turm. Sie bekam vieles bis alles mit. Mit freundlichen, manchmal auch versteckt kritischen Fragen bei Angestellten und Pfarrern trug sie positiv zum Laufen des Betriebes bei. Zu den Pfarrern hielt sie auf Äquidistanz. Sie hat viele Pfarrer kommen und gehen sehen. Sie gab gern einen Rat, auch gesundheitlicher Art, wenn man sie fragte. Pünktlich trafen ihre ganz persönlich gehaltenen Glückwünsche zum Geburtstag und zu den großen Festen bei den Pfarrern und Mitarbeitern ein. Immer sorgfältig bedacht und mit der Hand geschrieben, auch dann noch, als es ihr schon so sehr schwer fiel.

Ich persönlich fühlte mich als junger, unerfahrener Pfarrer von Anfang an von Schwester Inge sehr gut begleitet. Im Blick zurück spüre ich ihre Freundlichkeit, Sympathie und Treue mir persönlich gegenüber sehr. Und ich bin dafür von Herzen dankbar. Anderen wird es ähnlich gegangen sein.

Dass wir uns weit über die Pensionsgrenze hinaus besucht und angerufen haben, hin und her, auch noch 3 Tage vor ihrem Tod, sagt genug und erfreut mich von Herzen in aller Trauer.

Ein treuer, zuverlässiger, zuversichtlich-froher, auch gelassen-humorvoller, gläubiger Mensch hat uns verlassen und ist zu Gott heimgekehrt.

Ich bin dankbar, sehr dankbar. Zusammen mit vielen in unserer Gemeinde.

Pfarrer Krügerke